DRAPAGE ist wohl die älteste Methode den Körper einzukleiden. Eine textile Handwerkskunst, die im Vergleich mit anderen handwerklichen Techniken ( wie z.B. Sticken, Weben) bis jetzt viel zu wenig Beachtung fand. Erlernen kann man die Technik durch Nachahmen von Handgriffen und schließlich durch selbständige, kreative Arbeit an der Büste. Das Kleidungsstück entsteht in Anlehnung an einen Entwurf (eine Skizze) oder ganz frei, durch experimentieren mit dem textilem Material an der Büste. Durch manipulieren des Stoffes am menschlichen Körper (falten, verdrehen, schneiden, stecken) entsteht eine dreidimensionale Form. Die Intensive Auseinandersetztung mit den Eigenschaften des Stoffes, der direkte Bezug zum Körper und großes kreatives Potential der Technik verleihen ihr eine bsondere Bedeutung. Der Prozess ähnelt in seinem Verlauf der Arbeit eines Bildhauers, der das Material unter Einbeziehung seiner Eigenschaften bearbeit, um eine für ihn perfekte, dreidimensionale Form zu erschaffen. Der experimentelle Charakter der Technik erleichtert dem Modedesigner die Ideenfindung.
Das Wort DRAPAGE stammt von dem Wort DRAP, was auf französisch Tuch bedeutet. Die ersten raffinierten Silhouetten mittels Drapage wurden in der ANTIKE (Rom, Griechenland, Mesopotamien) entwickelt. Für die Herstellung der aufwendigen Gewänder (TOGAS) waren speziell dafür ausgebildete Handwerker verantwortlich. Sie erlernten und perfektionierten den freien Faltenwurf in Rahmen eines Unterrichtsfaches. Diese eleganten Gewänder bestanden aus einem einzigen Stück Stoff. Schere und Nähnadel kamen nicht zum Einsatz. Ihre unverwechselbare Form und Proportionen erhielten sie durch kunstvolle Faltenlegung, Abbinden und Gurten des Stoffes. Trotz einer großen Stofffülle, harmonierten sie perfekt mit dem Körper des Trägers. Opulent in der Form und aufwendig in der Herstellung wurden sie nur von Staatsmännern (wie z.B. Priester) getragen. Frauen trugen eine ärmellose TUNIKA. Darüber wurde eine STOLA (langes drapiertes Gewand mit weiten Kimonoartigen Ärmeln) und eine PALLA (mantelartiger Schulterüberwurf) getragen. Sehr aufwendig drapiert, wurden die Frauenkleider ebenfalls nur durch Kordeln, Gurte und Broschen (FIBULA) zusammengehalten.
Auch die Hindus, Buddhisten und Jains kleideten sich ausschließlich in drapierte Gewänder. Eine Vorliebe für kunstvoll gewickelte Formen spielte zwar eine Rolle, wichtiger war allerdings deren religiöse Bedeutung. Die Nadel konnte als Waffe verwendet werden und wurde aus diesem Grund nicht zur Kleidungsherstellung eingesetzt. Nur Kleidung die nicht mit einer Nadel in Berührung gekommen war, galt als „rein“. Dieser Gedanke bewegte auch die Menschen im alten Indien die Kleidung zu wickeln. Die Gewänder waren einfacher als in der Antike, dadurch aber auch alltagstauglich. Männer trugen einen DHOTI (Veshti ), eine gewickelte Hosenform. Jedes Bein wurde getrennt umwickelt, was dem Träger viel Bewegungsfreiheit erlaubte. Der SARI (englisch auch saree) war dagegen ein traditionelles Kleidungsstück für Frauen. Er wird auch noch heute in Indien, Sri Lanka, Bangladesch, Nepal und auch in einigen Gebieten Pakistans getragen, sowohl im Alltag wie auch bei besonderen Anlässen wie z.B. Hochzeit. Der Sari ist ein rechteckiges Stück Stoff ca.100 cm breit und von 5 bis 9m lang. Der Stoff wird zweifach um die Hüfte gewickelt, dann über die Schulter gelegt in Form eines Überwurfs (Pallu oder Paluv). Es gibt mehrere Arten einen Sari zu wickeln. Der Schulterüberwurf kann sehr aufwendig oder schlicht gestaltet werden und endet mit einer dekorativen Borte. Die Wickeloptik eines Sari soll grundsätzlich die weiblichen Formen betonen. Eine schmale Taille, breite Hüfte und eine üppige Oberweite gehörten zum Schönheitsideal im alten Indien. An deren Wickelart des Saris erkennt man außerdem aus welcher Region die Trägerin kommt.
KANGA und KITENGE sind typische afrikanische Wrap Kleider. KANGA (Khanga) ist ein recheckiges Stück Stoff umrandet mit einer Bordüre. In der Mitte der Kanga befindet sich ein geometrisches Blumenmuster sowie Aufschriften (politische Slogans, Botschaften). Sie ist etwa einen Meter breit und 1,5 Meter lang und wird am Stück verkauft. Durch wickeln, drapieren der Kanga am Körper wird sie zum Rock, zum Kleid oder zum Tragetuch für die Kinder. Im Gegensatz zur Kanga wird KITENGE (Chitenge) als Meterware verkauft . Es ist ein bunt gemusterter Baumwollstoff. Die Muster ähneln denen von Kanga, beinhalten jedoch keine Texte. Kitenge wird meistens von Frauen getragen und dann ähnlich wie ein Pareo um Brust oder Hüfte gewickelt. SHUKA ist ähnlich wie Kanga ein Wickelkleid das in Ostafrika das von Massai getragen wird. Es wird über eine Schulter gewickelt, dann in der Mitte des Körpers festgebunden. Als Ergänzung wird eine einfache Capeform darüber gelegt. Der besondere Charme dieser Gewänder liegt einerseits in der großen Farb- und Mustervielfalt, andererseits in der Art wie die Stoffe um den Körper gewickelt und geknotet werden. Trotz der spannenden Ästhetik haben sie vor allem eine praktische Bedeutung. Sie dienen dem Schutz des Körpers vor Umwelteinflüssen, sie schmücken und bedecken ihn.
Wer wissen möchte wie das Thema Kanga heute von den Modedesignern umgesetzt wird, schaut sich am besten die Kollektionen von SUNO NY ( besonders Kollektion Fall 2009) oder dem dem londoner Label CHICHiA. Beide arbeiten zum Thema Afrika und zaubern tragbare aber wunderbar Farb- und Musterfrohe Silhouetten mit viel Fantasie.
Eine sehr spannende drapierte Form ist der TURBAN (eine gewickelte Kopfbedeckungen) Seine Geschichte reicht Jahrtausende zurück und nahm ihren Anfang in Persien. Turbane werden bis heute noch von Männern wie von Frauen in verschiedenen Regionen der Welt getragen (fernes Osten, Afrika, Indien). Ein Turban entsteht durch wickeln einen oder mehreren Stoffstreifens um den Kopf. Der große Stoffvolumen, bietet genügend Schutz vor Sonne, Wind und Sand. Die opulente, gewickelte Form stellt ein besonders dekoratives Element dar. Es gibt viele Möglichkeiten einen Turban zu wickeln. Die Ästhetik eines Turbans hängt immer von seiner Funktion ab. Bei Tuaregs (Nomadenfolk aus Afrika, lebt zwischen Sahara und Sahel) bedecken die Turbane Kopf, Hals und z.T. das Gesicht. Sie bieten damit einen guten Schutz vor Wind, Sonne und Sand. Auch in Europa wurde die exotische Kopfbedeckung schon immer gerne getragen. Eine der bedeutendsten Modeschöpferinnen Alix Grés hat zu dem Thema einige wunderschöne Modelle entwickelt. Auch privat ist sie dieser exzentrischen Kopfbedeckung treu geblieben. Eine interessante Interpretation des Turbens finden wir in der Werbekampagne des australischen Modelabels Kj by KIRRILY JOHNSTON für die Kollektion Sommer 2011. Der Titel der Kampagne lautete APOCALYPTO. Hier ergänzt die exzentrische Kopfbedeckung sehr kontrastreich eine legere Streetwearsilhouette.